Montag, 25. April 2011

"Ja, es war eine schöne Geburt!" Widrigkeiten zur Hausgeburt von Josefine

WidrigkeitenDie Entscheidung für die Geburt unserer Tochter Alix im Geburtshaus war der einfachere Teil der Strecke. Uns war klar, dass nach der von uns als schlimm empfundenen Geburt unseres Sohnes Till keine weitere Klinikgeburt infrage kam. - Zumal die Ärzte und Schwestern sich einig gewesen waren, das sei eine ganz normale Geburt gewesen ... Mit Schmerzmittel, Wehentropf, PDA, Dammschnitt und Kreislaufversagen danach.
Welch ein Segen, Marina kennen gelernt zu haben, eine Hebamme, wie ich sie nur jeder schwangeren Frau wünschen kann. Sie vertrieb hartnäckige Übelkeit und trübe Gedanken, wusste, wie man sitzende Babys zur entscheidenden Wendung animieren kann und wir genossen den Luxus einer kompetenten, warmherzigen, mitfühlenden Begleitung durch die Schwangerschaft in unseren eigenen vier Wänden. Unser Sohn spricht noch heute davon, wie er beim Einstellen des CTG-Gerätes helfen durfte und wenn wir zurückdenken, ziehen wunderschöne Stunden vor unserem inneren Auge vorbei, in denen wir uns als größer werdende Familie ganz wunderbar betreut fühlten.
Die Entscheidung stand also. Etwas anderes als Geburtshaus kam nicht in Frage und die Richtigkeit dieser Entscheidung wurde mir noch einmal ganz deutlich, als ich mit zitternden Knien den Kreissaal betrat, in dem ich unseren Sohn zur Welt gebracht hatte. Ich war im achten Monat mit Alix gestürzt, die Untersuchung hatte bereits gezeigt, dass sie den Sturz schadlos überstanden hatte, aber nun sollte ich noch zum CTG und das einzig freie Gerät war in diesem Kreissaal. War ich froh, dass in diesem Moment niemand auf die Idee kam, meinen Blutdruck und Puls zu prüfen, denn dann hätte ich sicher nicht gleich wieder nach Hause gedurft.

Wir sprachen nur mit wenigen engen Freunden über unsere Entscheidung zur Geburtshausgeburt. Wir wollten den Schwiegereltern und anderen Familienmitgliedern keine Angst machen, denn sie wären mit Sicherheit ernsthaft besorgt gewesen, teils, was unseren Geisteszustand angeht (Geburtshaus???), viel mehr aber noch um Alix' und mein Wohlergehen unter der Geburt.
Auch von Freunden kamen Zweifel, die aber ernst und gut gemeint waren. Sie waren selbst durch Klinikgeburten verunsichert und so schlief ich eine Nacht sehr unruhig, denn es stimmte ja, dass ich nach Tills Geburt wegen meines abgesackten Blutdrucks nicht aufstehen konnte. - Und als ich es dann doch versuchte, wurde mir so schwarz vor Augen, dass ich Angst hatte, sterben zu müssen, eine Schwester angerannt kam und ich mich Minuten später im Bett wiederfand, versehen mit einem Katheter und dem strikten Verbot, noch einmal aufzustehen. Wäre ich für den Fall einer Wiederholung in der Klinik besser aufgehoben? Oder hatte die ganze Klinikprozedur mit all den Eingriffen und Medikamenten erst dazu geführt?
Und was war mit Alix? Sie war darauf angewiesen, dass wir Eltern die richtige Entscheidung trafen, auch für sie. War es unverantwortlich, sie nicht in Fußweite zur Kinderklinik zur Welt bringen zu wollen? Nein, ich war mir sicher, ein kräftiges, gesundes, eigenwilliges Kind in mir zu tragen, das nicht auf diese Möglichkeit angewiesen war.

Mein Gynäkologe prophezeite mir zwar ein zartes Baby von vielleicht drei Kilo (das letztendlich über vier Kilo wog), hatte mich extra noch einmal zum Ultraschall bestellt, um Alix zu vermessen, konnte aber keine wirklichen Gründe finden, die gegen eine Geburt im Geburtshaus sprachen und entließ mich dann mit den Worten: "Es ist Ihr zweites Kind, da wissen Sie ja, worauf Sie sich einlassen."
Im Vorbereitungskurs hielt ich mich beim Thema Geburtsort mittlerweile auch zurück, denn nachdem ich anfangs noch Werbung dafür gemacht hatte, schlugen mir Meinungen vom Typ "Vier-Kilo-Kinder bekommt man in der Klinik" entgegen. Auch gut. Mir doch egal. Ich hatte bereits ein Vier-Kilo-Kind zur Welt gebracht und sah das anders.

Der Geburtstermin rückte näher ... zog vorbei ... und schließlich befanden wir uns laut Mutterpass wieder in ET plus irgendwas, was uns aber nicht weiter störte, denn Marina kam nahezu täglich vorbei und ersparte uns lästige Besuche in der Arztpraxis, die ich bei Till nach dem errechneten Termin als sehr unangenehm empfunden hatte. Jeden zweiten Tag beim Betreten der Praxis mit den Worten "Sie sind ja immer noch schwanger" begrüßt zu werden, obwohl man einen unübersehbaren Babybauch mit sich trägt, das ist wirklich nicht lustig. Und dann zu spüren, wie unerwünscht ich dort war, da ich ja schon wieder das CTG-Gerät besetzte. Ab Tag 5 nach dem errechneten Termin sprach die Ärztin über die Klinikeinweisung zur Geburtseinleitung. An Tag 10 bekam ich den rosa Zettel in die Hand gedrückt. Widerspruch zwecklos.
Ich wagte es trotzdem. "Meine Hebamme versucht es gerade mit Akupunktur."
"Akupunktur?!" Die Ärztin starrte mich an, als hätte ich gerade zugegeben, akut gesundheitsgefährdende Aktivitäten vom Typ Bungeesprung zwecks Geburtseinleitung zu planen.
"Ja, Akupunktur."
"Dann wissen Sie wohl auch, dass dies nur in der Arztpraxis unter strengster CTG-Überwachung geschehen darf?"
Nö, wusste ich nicht. Bisher hatte ich dabei immer ganz entspannt auf dem Bett gelegen und mit meiner Hebamme geplaudert ...
"Dadurch können Wehen ausgelöst werden!"
Ähem, ja, genau, das war doch der Grund, warum Moni täglich mit ihren Nadeln bei uns anrückte. Um die Geburt ein wenig anzuschubsen.
"Wehen, und was machen Sie dann?"
Wie jetzt? Dann hätten wir doch erreicht, was wir wollten, oder? Ich gab's auf, stopfte den rosa Zettel in meine Handtasche und ging heim.

Marina hatte Ruhe, was das Warten anging. Einmal hätten sie neunzehn Tage auf ein Baby gewartet, so lange es Mutter und Kind gut gehe, sei das kein Problem. Das Baby sei dann übrigens keineswegs überreif geboren worden.
Ich war mir ganz sicher, dass auch Alix' einfach noch etwas Zeit benötigte. Till wurde damals regelrecht auf die Welt gezwungen. Die Klinikeinweisung in der Tasche, spulten wir noch einmal das ganze Repertoire an geburtsfördernden Maßnahmen ab, ich sprach eindringlich mit unserem Sohn und bat ihn, doch bitte von allein zu kommen, denn wenn es noch lange dauere, würden sie ihn zwingen und das sei für uns beide sicher nicht angenehm.
Marina empfahl mir, am kommenden Tag beim Arzt einen Doppler-Ultraschall machen zu lassen, um sicher zu gehen, dass Alix auch gut versorgt sei und wir gelassen weiter ihrer Ankunft entgegensehen konnten.
Am nächsten Morgen rief ich in der Arztpraxis an und bat um den Termin.
"Doppler-Ultraschall?!"
"Ja, ich bin jetzt neun Tage über den Geburtstermin und meine Hebamme empfielt ..."
"So einfach geht das nicht. Da müssen Sie erstmal herkommen und der Herr Doktor entscheidet, ob das nötig ist."
Von mir aus auch das. "Aber eventuell kann ich den Termin nicht einhalten, ich habe seit heute früh immer wieder leichte Wehen und vielleicht ..."
"Sie sind über Termin und haben Wehen?!"
"Leichte Wehen, sporadisch."
"Dann sollten Sie sich unverzüglich auf den Weg ins Krankenhaus machen, es kann sein, dass die Geburt jetzt losgeht!!"
Selten so gelacht.

Alix kam dann wirklich. Aber nicht unverzüglich, sondern sie machte sich zunächst sanft und leise auf den Weg, um dann aber nach einer rasanten Stunde im Geburtshaus das Licht der Welt zu erblicken.
Marina schloss ihren Bericht mit den Worten "Es war eine schöne Geburt". Ja, es war wirklich eine schöne Geburt, eine sanfte Geburt, ein menschlicher, herzerwärmender Umgang mit uns, ein liebevoller Empfang voller Achtsamkeit für unsere Tochter.

Zehn Wochen später fragte der Arzt mich zuerst, warum ich erst jetzt zur Nachuntersuchung erscheine (Och, ich dachte, es handele sich um einen Richtwert ...) und dann, wie es gewesen sei.
"Sie haben doch sicher den Bericht meiner Hebamme gelesen?"
"Bericht? Wie? Moment." Hektisches Tippen auf der Computertastatur. "Bericht, ach so, ja." Er über flog die Zeilen, murmelte, nickte, runzelte die Stirn und fragte dann: "Schöne Geburt?!"
Ja, eine schöne Geburt, so etwas gibt es. Traut euch!

Josefine


Den Geburtshausbericht von Alix' Geburt könnt Ihr im Buch "Hausgeburt und Gebären im Geburtshaus" im http://www.fidibus-verlag.de/ nachlesen.

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